Es ist der eine Preis, den man zahlt, wenn man Schriftsteller wird: Das Lesen macht nicht mehr so viel Spaß wie früher. Permanent liest mein "innerer Lektor" mit, weist mich auf Schwachstellen hin, diskutiert mit mir, ob der Autor diese oder jene Szene nicht lieber hätte aus einer anderen Perspektive schreiben oder gleich ganz weglassen sollen, ob die Figur XY gut gezeichnet ist oder der Schauplatz Z lebendig genug beschrieben. Manchmal halte ich im Lesen inne und überlege, wie der Autor es geschafft hat, diesen Spannungsbogen so clever aufzubauen. Doch damit ist die Spannung auch schon vorbei, und ich bin wieder in der Realität statt in der Geschichte.
Nur selten geschieht es, dass mich ein Buch so in seinen Bann zieht, dass ich alles vergesse - sogar, dass ich Autor bin. Dann versinke ich so wie früher in der Welt des Buchs, ziehe mich in einen Sessel zurück und kümmere mich um nichts mehr. Wenn dann auch noch Sonntag ist, es draußen regnet und ich alles, was ich am Wochenende erledigen wollte, erledigt habe, dann wird es ein richtig guter Tag.
So ein Tag ist heute, und das Buch, dem ich ihn verdanke, ist Pompeji von Robert Harris (bzw. in der englischen Originalversion, die ich gerade lese, Pompeii). Großartig geschrieben, großartig recherchiert, atemlos spannend, und nebenbei lernt man auch noch eine Menge über die meisterliche Ingenieurskunst der Römer. Besser kann man es nicht machen.
Leider lernt man von derart guten Büchern nicht so viel wie von schlechten. Es ist eben einfacher, einen Fehler in der Konstruktion zu erkennen als zu sehen, warum etwas perfekt ist - so wie man einen Riss im Putz einer Wand leichter sieht als die fehlerlose Konstruktion darunter, die das ganze Haus aufrecht hält. Aber das ist mir egal - Hauptsache, mein innerer Lektor hält endlich mal die Klappe!
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Rosa (Donnerstag, 24 April 2014 14:10)
Der positiven Kritik kann ich nur zustimmen! Ich las das Buch auch in der engl. Originalfassung und war ganz in seinem Bann gefangen. Gerade vor einigen Tagen stand ich vor dem Bücherregal, entdeckte dort 'Pompeii' wieder und fand es schade, dass ich niemanden kenne, der es auch gelesen hat.
karl-olsberg (Donnerstag, 24 April 2014 18:48)
Ich kann auch "Imperium" und "Lustrum" von Harris im englischen Original sehr empfehlen. Etwas weniger actionreich und romantisch, dafür aber mit der äußerst faszinierenden Hauptfigur Marcus Tullius Cicero, der noch heute als einer der genialsten Redner und Anwälte aller Zeiten gefeiert wird. Leider ist der abschließende Band der Cicero-Trilogie noch nicht erschienen, sonst würde ich den jetzt lesen.